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Ein Netz-Projekt begleitet die "Heimat"-Trilogie von Edgar Reitz. Ob die EXPO 2000 mitmacht, ist unklar
VON MARKUS EHRENBERG
Es war eines der größten Filmprojekte der Bundesrepublik: "Heimat" und "Die zweite Heimat" von Edgar Reitz. Zur Zeit schreibt Reitz mit dem Ost-Berliner Thomas Brussig an den Büchern zu "Heimat 2000". Begleitet wird das Mammut-Projekt im Netz von "heimat.net". Dahinter steckt die Berliner Multimedia-Agentur MediaCube aus den Hackeschen Höfen, die "heimat.net" bei der EXPO 2000 präsentieren will, als Teil des Kulturangebots im deutschen Pavillon - wenn ihr die Bundesländer keinen Strich durch die Rechnung machen.
Die EXPO-Finanzierung von "heimat.net" hängt in der Luft. Diese Woche sollen die 18 EXPO-Gesellschafter (darunter die 16 Bundesländer) entscheiden, ob das Berliner Projekt zu den rund 20 000 Künstlern gehört, die sich in Hannover präsentieren dürfen. Bei dieser Entscheidung geht es nicht nur ums Image für die Berliner Agentur. "heimat.net" soll zwar auch unabhängig von der EXPO weitergeführt werden, ist aber auf zusätzliche Sponsorengelder angewiesen, um das geplante interaktive Museum ab 2001 ins Netz zu stellen. "Die EXPO mit dem Schwerpunkt ,Heimat des Föderalismus' ist der Startpunkt für heimat.net", sagt MediaCube-Mitarbeiter Peter Wellach.
Am Ende könnte www.heimat.net die umfassenste Webseite über die Geschichte des 20. Jahrhunderts werden. Eine Art "Heimat-Gemeinschaft", die untereinander Eindrücke und Einsichten eines Jahrhunderts unzensiert aufarbeitet. Mit dem Unzensierten ist das allerdings so ein Problem. Die meisten Firmen sind mit ihren Archiven und ihrer Vergangenheit im Internet noch nicht präsent. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. heimat.net will Firmenarchive erstmals ins Netz stellen, als Teil einer multimedialen Geschichtswerkstatt.
Fällt die EXPO 2000 für heimat.net aus, dann dürfte das Interesse an so einer Geschichtswerkstatt erlahmen, nicht nur von Firmenseite. "Ich gehen von keiner Gefährdung aus", beschwichtigt EXPO-2000-Sprecher Andreas Wandersleben. Wirklich nicht? Seit Monaten wartet Mediacube auf eine Entscheidung aus Hannover. Sie wurde mehrmals verschoben. Auch die Kooperationspartner von heimat.net sind von der Verzögerung betroffen: das Deutsche Historische Museum, das Deutschen Rundfunkarchiv, der SWR und das Bundesfilmarchiv mit den privaten Text- und Filmdokumenten.
Unabhängig von der EXPO-Entscheidung plant MediaCube ein Bonbon für Fans, die auf eine TV-Wiederholung der in 25 Länder verkauften "Heimat"-Serie warten: heimat.net bietet 60 Stunden Film - abrufbar im Internet. Beim derzeitigen Stand der Technik gibt es da noch viel zu tun. Die relativ langsamen Übertragungsgeschwindigkeiten machen das Herunterladen von hochauflösenden Filmen zu keinem Vergnügen. Es vergeht schon mal eine halbe Stunde, um einen zwei Minuten langen Film zu laden, der später in einem fünf mal sechs Zentimeter kleinen Fenster abläuft. Auch da wollen Peter Wellach und heimat.net die Zukunft des Internet vorwegnehmen: "Für das nächste Jahr rechnen wir mit einer Breitbandlösung."
Und was wird aus dem Film "Heimat 2000"? Ob die Liebesgeschichte von Hermann und Clarissa überhaupt eine Fortsetzung auf dem TV-Bildschirm findet, ist noch gar nicht sicher. Der Plot steht zwar: Hermann und Clarissa restaurieren ein 200 Jahre altes Haus unweit von Schabbach, assistiert von Handwerkern aus Leipzig. Aber Produzent und Regisseur Edgar Reitz hat Finanzierungsprobleme. Sein Thema, die "Euphorie am Ende des Jahres 1989 und die Depression und Resignation am Ende des folgenden Jahrzehnts", scheint nicht allen Verantwortlichen zu gefallen. MDR und SWR sollen die ersten Drehbücher aus der Werkstatt Reitz/Brussig nicht gefallen haben, so ein Sprecher der Münchner Edgar Reitz Filmproduktion, "vor allem die Art und Weise, wie das Jahr 1989 dargestellt ist."
10 Millionen Mark sind für "Heimat 2000" zwar gesichert, das meiste Geld soll allerdings von ausländischen Investoren stammen. Ob Edgar Reitz im November 2000 die erste Filmrolle zu seinem Jahrtausendwerk abdrehen kann, liegt an ein paar ARD-Sendern. Wer Reitz kennt, weiß: Umschreiben wird der Filmemacher nichts.
"Wo befreundete Wege zusammenlaufen, da sieht eine Stunde lang die Welt wie Heimat aus", sagte Hermann Hesse. "heimat.net" und "Heimat 2000" haben zur Zeit nicht gerade viele Freunde. Vielleicht doch noch in Hannover.
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